SPD Hirschberg feiert Sommerfest

Veröffentlicht am 30.07.2013 in Veranstaltungen

Am 13. Juli feierte der Ortsverein Hirschberg sein Sommerfest. Unter anderem hielt Prof. Dr. Edith Rost-Schaude folgende Rede:

Thema: "150 Jahre SPD"

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde der SPD, verehrte Gäste!

Die SPD steht zur Zeit in einer kritischen Phase des Wahlkampfes. Es werden alle
Kräfte mobilisiert, um die traditionellen Wähler zu halten und neue Wählerschichten
zu gewinnen. Dazu ist es gut, den Blick in die 150jährige Geschichte dieser Partei zu
werfen und über den Kern ihrer Identität nachzudenken.

Die zentralen Werte der Sozialdemokratie gilt es in heutigen Zeiten zu betonen, die
Wählerinnen und Wähler aufzuklären und Ihnen ein Versprechen zu geben, dass die
Interessen der Bevölkerung bei einer SPD-geführten Regierung besser aufgehoben
sind als bei Schwarz-Gelb. Das betrifft vor allem die Wahrung der Grundrechte der
Bürgerinnen und Bürger und die soziale Gerechtigkeit.

Das Grundmuster meines Vortrags soll deshalb sein, die Historie zu betrachten -
Was haben unsere Vorgänger gemacht und an Werten verfolgt und wie sieht es
heute aus? Was müssen wir tun? Wie müssen wir uns als zukünftige Regierung
präsentieren? Welche Zielgruppen gilt es anzusprechen?

Die Historie wird in vier Phasen betrachtet: Startphase - erster Weltkrieg und
Weimarer Republik - Hitler-Faschismus - und Bundesrepublik Deutschland


I. Start 1863 in Leipzig als ADAV

Der russische Nationalökonom Kondratieff hat aufgezeigt, dass in den letzten
Jahrhunderten die Entwicklung neuer Technologien immer mit einem
Wirtschaftsaufschwung und einer revolutionären Veränderung der Gesellschaft
verbunden war. Diese Entwicklung wurde etwa alle 50 Jahre durch neue
Basisinnovationen ausgelöst. Joseph Schumpeter hat sie als Theorie der langen
Wellen - im Gegensatz zu den kurzen Konjunkturwellen der Wirtschaft- bezeichnet.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann als sogenannter dritter Kondratieff-Zyklus
die Mechanisierung aller Produktionsprozesse - angetrieben durch elektrische
Energie - und damit die Industrialisierung der Gesellschaft. So entstand die riesige
Bevölkerungsgruppe der Industriearbeiter und als Kampf gegen schlechte Arbeitsund
Lebensbedingungen die Arbeiterbewegung. Aus dieser Bewegung heraus
entstand die Sozialdemokratie. ( Heute haben wir die Informations- und
Kommunikationstechnologien und die Netze, die eine vergleichbare Veränderung
hervorrufen. Aber dazu später.)

Der Vorläufer der SPD war der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein ADAV, der
1863 von Ferdinand Lassalle in Leipzig gegründet wurde. Lassalle war ein
Bürgerlicher, Intellektueller, Historiker und Philosoph. Er starb 1864 im Alter von erst
39 Jahren in einem Duell um eine Frau.

Sein Anspruch war, nicht nur die materielle Versorgung der Arbeiter zu verbessern,
sondern zugleich alles für die Weiterbildung und Verbesserung der Urteilsfähigkeit
des Einzelnen zu unternehmen.

Lassalle war sich dabei mit den Arbeitern einig, dass Bildung und Information ein
wesentliches Element einer erfolgreichen Interessenvertretung sein würde. Und so gründeten die Arbeiter neben Sport- und Singvereinen in erster Linie Bildungsvereine
- die Frauen sogar im Untergrund, weil für sie in vielen deutschen Ländern zwischen
1850 und 1918 ein Vereinsgesetz galt, das »Frauenspersonen, Geisteskranken,
Schülern und Lehrlingen« die Mitgliedschaft in politischen Vereinen untersagte. Man
kann also sagen, Bildung für alle ist neben sozialer Gerechtigkeit ein Urmotiv der
Sozialdemokraten.

1869 wurde von August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach die
Sozialdemokratische Arbeiterpartei SDAP gegründet, die sich dann 1875 auf dem
Gothaer Kongress mit der ADAV zur sozialistischen Arbeiterpartei SAPD
zusammenschloss. Im Oktober 1890 erfolgte die Umbenennung der SAPD in
Sozialdemokratislche Partei Deutschlands "SPD".

Während im Deutschen Reich das Feudalsystem herrschte und es sich in der
Beletage der Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes um Klassen besser leben
ließ als in den schiefen Häusern der Arbeiterviertel, wollte die SPD nicht nur Regeln
zum Arbeitsschutz einführen oder eine Kranken- und Unfallversicherung für alle
etablieren.

Angeregt durch ihren Gründer August Bebel beschäftigte sich die SPD zu einer Zeit,
in der Frauen noch nicht einmal wählen durften, bereits mit der Gleichstellung der
Geschlechter. Sie legte auf ihrem Leipziger Parteitag im Jahr 1909 bereits fest, dass
Frauen in den Vorständen der Parteigliederungen repräsentiert sein MÜSSEN. Ein
Thema, dass uns auch noch 100 Jahre später beschäftigt.

Politisch war die Zeit der Gründung der SPD geprägt durch enorme Unterdrückung:
Gewerkschaftsbewegung und Arbeiterparteien wurden unter Führung Bismarcks mit
dem Sozialistengesetz sogar verboten. Sozialdemokraten wurden zu
"vaterlandslosen Gesellen" erklärt.

Von Kaiser Wilhelm, der zu jener Zeit an der Spitze des Deutschen Reichs stand, ist
der Satz überliefert: „[…] die Sozialisten abschießen, köpfen, unschädlich machen,
wenn nötig per Blutbad […]“.

Schon gegen Ende der Weimarer Republik, aber vor allem während des Hitler-
Faschismus wurde solches dann gezielt umgesetzt: Kommunisten und
Sozialdemokraten wurden ums Leben gebracht, ins Konzentrationslager geschleppt
und zu Zwangsarbeit gezwungen.

Die Aussage Kaiser Wilhelms zeigt deutlich, dass Sozialdemokraten schon zu
Beginn von der Obrigkeit als Bedrohung, gar als Feind betrachtet wurden. Und das
Zitat zeigt, dass enormer Mut nötig war, sich öffentlich zu bekennen. Denn das war
es ja, was manche Kräfte unter allen Umständen zu verhindern versuchten: das
öffentliche Bekenntnis zu den Werten der sozialen Demokratie, das Anprangern von
miserablen Bedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter, der offene Kampf gegen
Klassenunterschiede, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung etlicher
gesellschaftlicher Gruppen. Denn eines war der Obrigkeit klar: wenn der Stein erst
mal überall ins Rollen gebracht wird, dann wird aus einzelnen Protesten und
Zusammenschlüssen eine soziale und demokratische Bewegung, die das ganze
Land erfassen und den Anfang vom Ende ihrer Privilegien bedeuten würde. Man tat
in den Anfangszeiten der Partei alles, um das öffentliche Bekenntnis zur SPD so
unbequem wie möglich zu machen. Ortsvereinsgründungen und Versammlungen wurden von der Polizei überwacht, Sozialdemokraten wurden bespitzelt und
ausgegrenzt, die politischen Ziele der Bewegung wurden verteufelt. Und dennoch
fanden sich im ganzen Land Unerschrockene zusammen, die trotz der widrigen
Umstände für eine politische und gesellschaftliche Zeitenwende kämpfen wollten und
die Arbeiterbewegung – und mit ihr die Sozialdemokratie - erstarkten.

Die nächste historische Phase, die wir betrachten, ist der


Erste Weltkrieg 1914-1918 und die Weimarer Republik 1919-1933:

Während des ersten Weltkrieges erlebte die deutsche Sozialdemokratie das, was
sich in ihrer weiteren Geschichte noch mehrere Male wiederholen sollte: sie spaltete
sich auf. Der innerparteiliche Streit, ob man die Kriegskredite der Reichsregierung
mittragen solle oder nicht, führte 1917 zur Abspaltung des Spartakus-Bundes und
der Gründung der USPD, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands.

Wir haben leider auch in jüngerer Zeit einige Abspaltungen aus der Partei zu
verzeichnen: den Verlust von ökologisch Orientierten an die Grünen, den Verlust von
Linksorientierten an die Linke, und es drohte auch der Verlust der jungen,
technophilen Generation an die Piraten - das muss verhindert werden. Das Internet
und die Nutzung von IuK in allen Wirtschaftsprozessen verändert wie einst die
Mechanisierung und Automatisierung auch heute die ganze Gesellschaft.

Die Weimarer Republik 1919-1933 war für die Sozialdemokraten eine Zeit, auf die sie
stolz sein können.

Am 9. November 1918 rief der Sozialdemokratische Politiker Philipp Scheidemann -
früher Buchdrucker und Publizist - vom Balkon des Reichstagsgebäudes in Berlin
den Zusammenbruch des Kaiserreichs aus und proklamierte die Deutsche Republik.
Er war vom Februar bis Juni 1919 Reichsministerpräsident, von 1920 bis 1925
Oberbürgermeister von Kassel und von 1920 bis zu seiner Emigration nach
Kopenhagen 1933 Mitglied des Reichstags.

Im Februar 1919 wurde der Heidelberger Friedrich Ebert Reichspräsident und damit
das erste demokratische deutsche Staatsoberhaupt. Er setzte sich in seiner Amtszeit
besonders gegen die Benachteiligung von jungen Menschen aus der Arbeiterschaft
und für den sozialen Ausgleich zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft ein.

Überall im Land übernahmen Sozialdemokraten – und nach und nach auch einige
Sozialdemokratinnen – politische Verantwortung und arbeiteten daran, die Ziele der
Arbeiterbewegung umzusetzen und die Gesellschaft freier und gerechter zu machen.

Aber auch in der jungen Demokratie gab es schon früh Probleme mit den
Rechtsradikalen: im Januar 1919 machten Rechtsradikale Jagd auf die KPD-Führer
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Ihre Ermordung stand am Anfang einer
langen Reihe politischer Attentate Rechtsradikaler in der Weimarer Republik.

Für die Rechtskreise war Deutschland "im Felde unbesiegt". Die "Erfüllungspolitik"
(die Erfüllung des Versailler Vertrages durch die Regierung) klagten sie an. Darüber
hinaus stemmten sie sich mit aller Macht gegen den demokratischen Staat. So
starben während der Weimarer Republik bei Attentaten Außenminister Walther Rathenau (1867-1922), der von Angehörigen der rechtsextremen Organisation
Consul (OC) erschossen wurde, wie auch Finanzminister Matthias Erzberger (1875-
1921). In Bayern kamen Kurt Eisner (1867-1919) bayerischer Ministerpräsident und
Mitglied der USPD, und in Rheinland-Pfalz der Führer der rheinpfälzischen
Separatisten, Franz Josef Heinz (1884-1924) ums Leben. Der SPD-Politiker Erhard
Auer (1874-1945) überlebte zwei Mordanschläge.

Bevor der Terror des Nazi-Regimes losging und Millionen von Menschen Tod, Elend
und Unterdrückung brachte, fand im Berliner Reichstag im März 1933 eine
denkwürdige Sitzung statt, in der allein die SPD-Abgeordneten gegen Hitlers
Ermächtigung stimmten. Und das wagten sie, obwohl schon im Vorfeld dieser
Wahlen über 100 linke Abgeordnete - davon 20 Sozialdemokraten - verhaftet und
eingesperrt worden waren, denen vor der Abstimmung das Mandat entzogen wurde,
um eine verfassungsändernde Dreiviertelmehrheit für die Pro-Hitler-Koalition zu
gewinnen. Otto Wels, damals Reichstagsabgeordneter für die SPD, stand trotzdem
auf und erhob seine Stimme gegen das Ermächtigungsgesetz der NSDAP. In der
letzten freien Rede, die im Deutschen Reichstag gehalten wurde, sagte er: „Freiheit
und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Aber die konservativen Parteien
stimmten geschlossen für die Nationalsozialisten und Hindenburg ernannte Adolf
Hitler zum Reichskanzler mit großer Machtfülle.

Die Zeit des Hitlerfaschismus (1933-1945)

Zwölf Jahre dauerte die Schreckensherrschaft der NSDAP, die Auswirkungen waren
im ganze Land spürbar: die Verfolgung der politischen Gegner, die Gleichschaltung,
der Antisemitismus begleitet von wirtschaftlichem Boykott und rechtlicher und
gesellschaftlicher Ausgrenzung, die Zerstörung der Synagogen im November 1938,
Ausplünderung, Zwangsauswanderung, Deportation und Massenmord. Erst im April
1945 konnten die Verfolgten, die den Krieg und die Naziherrschaft überlebt hatten,
wieder aufatmen.

Die SPD wurde- wie auch die Kommunisten, die Gewerkschaften, die
Arbeitervereine, die Naturfreunde und viele andere - von den Nationalsozialisten
verboten, ihr Vermögen wurde beschlagnahmt, ihre Vereinslokale geschlossen.

Der Staat stellte sich im dritten Reich gegen alle sozialen Bestrebungen unserer
Partei und verteidigte seine Macht mit brutalen Mitteln.

III. Bundesrepublik Deutschland

Wie später nochmals nach der Wiedervereinigung, gelang es der CDU nach dem
Ende des zweiten Weltkriegs, die Führung im Land zu übernehmen.

Und das, obwohl viele ihrer Parlamentarier der CDU aus den Parteien kamen, die
Hitlers Ermächtigung zugestimmt hatten. Nach dem Krieg diente sie unter
christlichem Mäntelchen als Zufluchtsort und Karriereleiter vieler Nationalsozialisten,
die kurz zuvor noch mithalfen, ganz Europa in Schutt und Asche zu legen und den
Ruf der Deutschen als Kulturnation für Generationen ruiniert hatten.

Und die SPD, die sich todesmutig den Nazis entgegengestemmt hatte, musste lange
Jahre warten, bis sie in der Bundesrepublik tatsächlich politische Verantwortung
übernehmen konnte. Der ersten großen Koalition, die ab 1966 Deutschland regierte,
und der späteren Bildung einer sozial-liberalen Koalition unter Willy Brandt ab 1969
ging ein innerparteilicher Reformprozess voran, an dessen Ende 1959 der Parteitag
von Bad Godesberg stand. Nach einem längeren kontroversen Diskussionsprozess
wurde dort das Godesberger Grundsatzprogramm mit den Grundwerten der SPD
verabschiedet. Die SPD wurde damit endgültig zur großen Volkspartei. Sie gewann
breite Wählerschichten hinzu, sogar aus kirchlich gebundenen Kreisen.

Mit der Wahl von Willy Brandt zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler
begannen Goldene Jahre für die SPD - und für unsere politischen Zielsetzungen.
Gemeinsam mit einer FDP, die Freiheit und Liberalismus damals noch ganzheitlicher
interpretierte als sie es heute mit ihrer Anbiederung an Groß- und Finanzkapital und
Marktradikalität tut, konnten wir in Deutschland Verkrustungen aufbrechen,
Ungerechtigkeiten beseitigen und für sozialen Aufstieg sorgen.

Ein prägendes Thema der frühen Siebziger Jahre war der Bildungsaufbruch.
Zahlreiche Reformen wurden in Angriff genommen, mehr Menschen sollten die
Möglichkeit haben, einen hohen Schulabschluss oder ein Studium zu absolvieren.
Wer sich dies nicht leisten konnte, sollte unterstützt werden, wer besonders
Förderung nötig hatte, sollte diese bekommen, die Durchlässigkeit zwischen den
Bildungssystemen sollte erhöht werden. So wurde die Gleichwertigkeit von
Allgemeinbildung und Berufsbildung, die Einführung der Ganztagsschule, die
Gesamtschule und individuelle Förderung angemahnt - Forderungen, deren
Richtigkeit erst in jüngerer Zeit allgemein erkannt wird und deren Umsetzung gerade
erst im Gang ist.

Aktuell haben wir in Baden-Württemberg den Streit um die Gemeinschaftsschule.
Dazu sei in Erinnerung zu rufen, dass der Staat die Pflicht hat, ein Schulsystem zu
gewährleisten, das allen jungen Bürgern gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen
Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Das dreigegliederte
Schulwesen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) wird nach allen Ergebnissen der
OECD und der PISA-Studie dem nicht gerecht, weil es weder die Benachteilungen
durch die Herkunft aus einer bildungsfernen Familie ausreichend vermindert, noch
mittelfristig ausreichend durchlässig ist. Die SPD nimmt mit der Gemeinschaftsschule
und der Abschaffung der verbindlichen Schulempfehlung unsere Verfassung ernst.

Die weiteren Jahre in der Geschichte unserer Partei will ich nur kurz aufgreifen, da es
Jahre sind, die viele von uns bereits persönlich erlebt haben. Aber eines ist aus dieser Zeit noch heute klar zu erkennen: wann immer die Probleme besonders groß
waren, waren es Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die mit Besonnenheit
heikle Situationen meisterten oder mit Entschlossenheit Aufgaben anpackten und –
auch gegen Widerstände – Probleme zu lösen wussten.

Trotzdem wurden noch vor nicht langer Zeit Sozialdemokraten in der Odenwälder
Diktion als "geringe Leute" diskriminiert. Das ist eine kleine Anmerkung aus den
Erfahrungen von alten Genossen aus unserem Ortsverein.

Die Menschen sind aber aufstiegmotiviert. Keiner will mehr zu den "geringen Leuten"
gehören. Die SPD steht im Kopf der Leute aber immer noch für eine Partei der
unteren Bevölkerungsschichten. Das stimmt so nicht mehr. Wir erleben heute mit der
Informations- und Kommunikationstechnologie eine mit der Industrialisierung
vergleichbare soziale Umwälzung.: auch bspw. Ingenieure, IT-Spezialisten,
Hochschulbeschäftigte - sind heute von schlechten Arbeitsbedingungen,
Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg bedroht. Sie sind deshalb die neue große
Zielgruppe der SPD, als sozialer Partei für alle. Die SPD hat die Chance, als
Avantgarde der Technikentwicklung - wie in ihren Anfangszeiten - auch die neue
technische Elite zu gewinnen.

Wie früher stemmen sich auch heute die herrschenden sog. "Eliten" den
Sozialdemokraten entgegen - und das mit Hilfe einer konzentrierten Medienmacht.
Die konservative Regierung hat die Meinungsmacher in der Hand (Beispiel: Friede
Springer, Liz Mohn, ZDF, konservative Presse etc.). Und sie kann damit ihre gegen
die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger gerichtete Politik verschleiern. Die Presse -
allen voran Springer, Bertelsmann und Co - versuchen in konzertierter Aktion mit der
Kanzlerin, die SPD klein zu reden und ihre neo-liberale Agenda zu verfestigen. Noch
ein paar Tage vor der Wahl will das ZDF nochmals Umfrageergebnisse
veröffentlichen, um die Wahl zu beeinflussen - ein Verfahren, das bisher als tabu
galt.

Und die Gefahr von ganz Rechts war und ist für unser Land auch zur Zeit der
Bundesrepublik nicht gebannt:

Beim Blick zurück in die Zeiten des Kalten Krieges stößt man auf „Gladio“. eine
geheime paramilitärische Geheimorganisation der NATO, der CIA und des britischen
Geheimdienstes, die bis 1990 existierte und in verschiedenen Ländern Europas
Anschläge und Terrorakte beging. Mit solchen Terrorakten sollte die Bevölkerung
verunsichert werden und den Ruf nach einem starken Staat fördern. Dahinter steckte
die Angst vor zunehmendem Einfluss des Kommunismus in Europa. Das sollte unter
allen Umständen verhindert werden. Auch mit Gewalt. Die Gladio-Truppen
bestanden zu einem erheblichen Teil aus Neonazis und Rechtsextremisten, die
gepäppelt wurden.

Auch heute muss man wieder fürchten, dass Teile der Staatsgewalt wie der
Verfassungsschutz "auf dem rechten Auge blind" sind. Oder was noch schrecklicher
wäre: wenn sich der Verdacht bestätigte, dass Teile des Verfassungsschutzes wieder
politische Morde nicht ernsthaft bekämpft haben, wie der Vorsitzende des
Untersuchungsausschusses für die NSU-Morde, Edathy, anklingen lässt.

Und die aktuellen Eröffnungen über die verfassungswidrige Praxis der
Geheimdienste in den USA, England, Frankreich und Deutschland durch Edward Snowden zeigen, dass die derzeitigen Staatsführungen in der westlichen Welt wenig
von Demokratie und Bürgerrechten und viel von Herrschaftsausübung halten.

Das Motto der SPD lautet noch heute: Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität. Starke
treten für Schwache ein. Diese Politik entspricht dem Wunsch des Menschen, Gutes
zu tun und für andere da zu sein.

2005 konstatierte der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch, dass die
westlichen Demokratien sich inzwischen in Postdemokratien verwandelt haben.
Postdemokratie ist nach Crouch "ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor
Wahlen abgehalten werden" - und das damit de jure demokratisch ist -, "in dem
allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte
während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel
verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die
Experten zuvor ausgewählt haben."

Dahinter stünde der "Einfluss privilegierter Eliten" - Stichwort Lobbyismus - der dafür
sorge, dass die meisten westlichen Demokratien einen neoliberalen Kurs
eingeschlagen hätten. Statt in legitimierten Parlamenten scheinen elementare
Entscheidungen immer häufiger in nicht-öffentlichen Zirkeln oder auf supranationaler
Ebene zu fallen. Die Folge seien "Langeweile, Frustration und Desillusionierung" bei
der Bevölkerung in Bezug auf Politik.

Abnehmende Wahlbeteiligung, seit Jahren grassierende Parteien-, Politik-, ja sogar
Demokratieverdrossenheit sprechen für Crouchs Befunde.

Wir aber wollen Demokratie statt Postdemokratie!

Es ist Zeit, ein Fazit zu ziehen.
Was kann die SPD tun?

Dazu sieben Punkte, die ich für wichtig halte:

1. Die Konzentration auf die große originäre Zielgruppe der SPD "alle
Erwerbstätigen" - damit sind in der Gruppe der abhängig Beschäftigten auch die
Fach- und Führungskräfte gemeint, und auch die neuen Selbstständigen. Alle leiden
unter verbesserungsbedürftigen Arbeits- und Lebensbedingungen. Es muss eine
neue Arbeitskultur entstehen ganz im Sinne des historischen "Brüder und
Schwestern - zur Sonne, zur Freiheit"-Mottos. Arbeit und Leben in all seinen
Aspekten muss für Jede und Jeden vereinbar sein.
In Anlehnung an Lassalle: Wichtig dazu ist eine Verbindung intelligenter
Politikprogrammatik mit dem Kampf für die Interessen der großen Masse der
Bevölkerung.
Das Ziel ist: Gute Arbeit und gute Lebensbedingungen für alle Erwerbstätigen
und ihre Familien zu schaffen.

2. Die Rückgewinnung von abgespaltenen Gruppen und vor allem der resignierten
Nicht-Wähler/innen.
Betonung der ökologischen Basis der SPD (Brandt: blauer Himmel über der
Ruhr") und der der Bevölkerung zugewandten Programmatik der SPD.

3. Frauenförderung: Die CDU/CSU zeigt deutlich, dass sie mit Politik für Frauen
nicht viel am Hut hat (letztes Beispiel: Die Wahl von Peter Hauk als Bezirkschef in
Nordbaden gegen Brigitte Schäuble). Das sollte die SPD nutzen, indem sie
anknüpfend an Bebel die 50 % Frauen in der Bevölkerung als ihre originäre
Zielgruppe definiert.

4. Das Aufzeigen der desaströsen Europa-Politik der Regierung. Gegen
Austeritätspolitik - für Regulierung des Finanzsektors - für Sanierung der
europäischen Staaten statt der europäischen Banken. Echte Oppositionspolitik
betreiben statt ängstlicher Anpassung. Die SPD sollte sich als europäische Kraft der
Solidarität mit allen Europäern darstellen und eine Diskussion über neue
Wachstumsmodelle lostreten.

5. Eine Säkularisierung von Politik und öffentlichen Institutionen. Zurückdämmen
von kirchlichem Einfluss auf das Gemeinwesen und die Politik. Statt muslimische
Gruppierungen den Kirchen gleichzustellen, (wie gerade in Hessen geschehen)
sollten alle Kirchen ihren Zweck in der Religions-Ausübung finden, vom Staat
abgekoppelt werden und kein spezielles Arbeitsrecht im Tendenzschutz genießen,
das Millionen Arbeitnehmer benachteiligt.

6. Neue Internet-Technologien müssen noch stärker in die Politik einbezogen
werden: die Piraten geben das Thema gerade ab. Es wird aber in Zukunft eine große
Rolle spielen. Der Schutz der Privatsphäre und die Einhaltung von
Verfassungsregeln ist für alle ein wichtiges Thema. Die Social Media werden ein
politisches Instrument demokratischer Entwicklung sein wie sich z. B. in Staaten des
Nahen Ostens, Afrikas und Chinas beweist. Die Datensicherheit ist dabei nicht nur
für die private Kommunikation, sondern auch für die Wirtschaft des Landes von hoher
Bedeutung - siehe das amerikanische PRISM- Programm und das englische
TEMPORA-Programm, Strategien, die auch Wirtschaftsspionage bedeuten. Hier
kann die große, aber bisher der SPD eher ferne Zielgruppe von Klein- und
Mittelunternehmern angesprochen werden.

7. Die SPD muss noch mehr Machtwille und Selbstbewusstsein entfalten!
Angesichts einer seit 1863 glorreichen Geschichte ist Bescheidenheit und Sich-
Ducken fehl am Platz. Wir brauchen Mut wie Otto Wels und seine Genossen. Wir
müssen "mehr Demokratie wagen" im Sinne von Willy Brandt. Und politische Ideen
können nur dann durchgesetzt werden, wenn man Macht hat. Wir sollten die Furcht
vor kleinlichen taktischen Vorwürfen, die in der Presse lanciert werden, (Zum Beispiel
eine rote-Socken-Kampagne, oder die Kampagne gegen Steinbrück usw. ) ablegen.
Und wir sollten Fehler der Vergangenheit wie beispielsweise die Zustimmung zu den
"Schuldenbremsen", oder Teile der "Agenda 2010" freimütig eingestehen. Wichtig ist
das zukünftige Handeln! Und hier gilt es Vertrauen zu wahren und neues Vertrauen
zu gewinnen!

Zum Abschluss: Willy Brandt hat auf dem Kongress der Sozialistischen
Internationalen im Jahr 1992, wenige Jahre vor seinem Tod den Sozialdemokraten
mit auf den Weg gegeben: "Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer.
Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten
will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll."

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine erfolgreiche zukünftige politisches
Arbeit!

 

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