Haushaltsrede Dr.Thomas Scholz zum Haushaltsplan 2021

Veröffentlicht am 05.04.2021 in Fraktion

Fraktionsvorsitzender Dr. Thomas Scholz

Rede für die Fraktion der SPD, Dr. Thomas Scholz

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, werte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Presse und im Zuschauerraum!

Die Aufstellung eines Haushaltsplans ist nie einfach und ohne Risiken. Heute nun ist sie risikoreich und schwierig wie selten zuvor. Niemand weiß, wie lange der derzeitige Lockdown noch dauern wird, ob es in diesem Jahr weitere geben wird, wie die Wirkungen der Impfstoffe ausfallen und welche Auswirkungen die Virusmutationen haben werden.

Eines wissen wir aber sicher: Die Pandemie hat erhebliche Konsequenzen auf unser aller Berufs- und Privatleben, auf die wirtschaftliche Entwicklung und auf die finanzielle Lage von Bund, Ländern und Kommunen. 

Wir befinden uns in der wohl größten Krise der Nachkriegsgeschichte. Die Frage ist, wie wir darauf reagieren.

 

Dabei finde ich sehr interessant und lehrreich, dass sich das Wort ‚Krise‘ im Chinesischen aus 2 Schriftzeichen zusammensetzt – das eine bedeutet „Gefahr“, das andere bedeutet „Gelegenheit“ beziehungsweise „Chance“.

Eine Krise ist also immer auch eine Chance. Was bedeutet das? Sicher nicht: So weiter machen wie bisher! Das wird vor allem an einer weiteren Krise deutlich, die durch Corona etwas in den Hintergrund getreten ist, ohne dabei an Bedeutung zu verlieren: Der Klimakrise.

 

Gerade sie führt uns vor Augen: Ein Einfaches „Weiter so“ wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten kann es nicht geben. Coronakrise und Klimakrise bieten uns die Chance, bisherige Gewohnheiten zu hinterfragen, dazu zu lernen und umzudenken.

Was heißt das nun für uns im Rahmen einer Haushaltsverabschiedung?   

Betrachten wir zunächst einige wichtige Zahlen aus diesem Haushalt:

Die Auszahlungen für Investitionen summieren sich für das Jahr 2021 auf rund 8 Mio. Euro, über 6 Mio. Euro allein für Baumaßnahmen. Dafür sind neue Kredite in Höhe von rund 4 Mio. Euro vorgesehen. Die Entnahme aus liquiden Mitteln wird damit bei rund 2 Mio. Euro liegen. Der Entwurf des Ergebnishaushalts weist ein strukturelles Defizit von rund 800.000 Euro aus. Allein das ist bereits bedenklich!

Hirschberg hat in den letzten rund 16 Jahren den Schuldenstand fast verhundertzwanzigfacht! Inklusive der geplanten 4 Mio. Euro Kreditaufnahme für die mittelfristige Finanzplanung 2022 – 2024 kommen wir auf einen Faktor von rund 170!

Das mittelfristige Investitionsprogramm umfasst rund 13 Mio. Euro. Der Sanierungsstau nur für den Erhalt unserer Infrastruktur beträgt laut unserem Bürgermeister mehr als 20 Mio. Euro für die nächsten 10 – 15 Jahre. Es sieht also nicht rosig aus und auch hier darf es offensichtlich kein “Weiter so!“ geben. Was also tun?

Damit komme ich auf das meistdiskutierte Thema der letzten Monate und schicke voraus, dass die Meinung zu diesem Punkt in der Fraktion nicht einheitlich ist.

Bei den gerade genannten Summen stellt eine Gewerbegebietserweiterung, die im Mittel der nächsten 10 Jahre pro Jahr gerade einmal 130.000 Euro und damit 0,6% des Gesamthaushalts abwirft, ganz sicher nicht die Lösung der Probleme dar. In diesen 130.000 Euro sind Grundsteuer- und Einkommenssteuermehreinnahmen bereits enthalten. Ganz im Gegenteil: Bei einer nachhaltigen und umfassenden Bilanzierung nach den Grundsätzen des Gemeinwohls verkehren die Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Verkehr den Effekt mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Negative!

Kann man darauf verzichten, also so viel einsparen? Aus meiner Erfahrung der letzten 7 Jahre sage ich: Ja! Vom Kindergarten bis zum Skulpturengarten, von der Meisengasse bis zum Landwehrhagener Platz gab es genügend Möglichkeiten. Und wer beim Kindergarten in Zeiten des zweiten Nachtragshaushalts in Folge und mitten in der Coronakrise noch eine Fassadenlochblechverzierung über ein paar Fenstern bewilligt, die mit über 60.000 Euro im Kostenplan steht, kann nicht ernsthaft fordern, dass wir nun 10 ha Landschaft versiegeln, nur um dann so etwas Unnötiges bezahlen zu können.

Der Versuch, das geplante Gewerbegebiet nun als natürliches Biotop, quasi den künftigen Regenwald im Rhein-Neckar-Kreis, darzustellen, ist in diesem Zusammenhang auch nicht sehr glaubwürdig. Ein Blick mit Google Earth auf das bisherige Gewerbegebiet, einschließlich der Firmen, die derzeit diesbezüglich als Protagonisten auftreten, genügt, um sich auf dem harten Beton- oder Teer-Boden der Realität wiederzufinden. Eine aktuelle Umfrage der Presse zeigt darüber hinaus, dass die konkrete Nachfrage bei den Firmen sehr überschaubar ist.

So oder so: Gewerbegebiete sind heute nicht mehr das Mittel zur Schuldenfinanzierung. Auch, weil die Einnahmen sehr volatil sind und weil inzwischen das Bewusstsein für die Endlichkeit natürlicher Ressourcen wie Boden und Landschaft gewachsen ist.

Dass es hierzu in unserer Gemeinde ein sehr erfolgreiches Bürgerbegehren gab und nun einen Bürgerentscheid, belegt diese Entwicklung. Viele Menschen finden die Diskussion erfrischend und sie finden es gut, dass sie nun bei dieser Entscheidung eingebunden sind. Ich gehe davon aus, dass in Hirschberg bei großen und wichtigen Fragen in Zukunft diese Form direkter Demokratie eine größere Rolle spielen wird als bislang und freue mich darauf.

Damit komme ich zu unseren Anträgen: Im Fokus stand für die SPD zusammen mit der GLH ein Klimaschutz-Paket: Überführung des Klimaschutzplans in ein richtiges Klimaschutzkonzept, energetische Sanierung der Sporthallen sowie der Alten Villa, eine weitere öffentliche E-Ladesäule und verbindliche Einstellung von Mitteln zur Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED.

Wir erwarten, dass nun ein Klimaschutzkonzept erarbeitet wird. Eine weitere E-Ladesäule ist geplant und Geld für die LED-Beleuchtung soll es im Haushalt 2022 geben. So weit, so gut. Nicht zufrieden sind wir mit dem Verlauf der Beratungen bzgl. der energetischen Sanierung der Hallen und der Alten Villa. Die Sporthallen sollen für mehrere Millionen Euro saniert werden, aber Haushaltsmittel für die energetische Sanierung, also geförderte Maßnahmen, die inzwischen jeder Privatbauherr wie selbstverständlich mit umsetzt, wurden abgelehnt bzw. als Schaufensteranträge bezeichnet. Gleiches bei der Alten Villa: Dieses ortsbildprägende und von vielen Vereinen genutzte Gebäude verfällt seit Jahren, der Sanierungsstau wird immer größer. Erst kürzlich gab es einen Wassereinbruch in den Keller. So viel dann auch zur Pressemitteilung von FWV, CDU und FDP, dass ja zum Glück der Keller trocken wäre. Alle unsere Anträge, dieses wichtige öffentliche Gebäude zu sanieren, wurden in den letzten Jahren abgeblockt. Doch die Kosten für notwendige Sanierungen werden durch Zuwarten nur höher!

In Zukunft wird es von der europäischen Ebene über den Bund, das Land und den Kreis in immer deutlicherer Form Klimaschutzziele in Richtung Klimaneutralität geben, an denen dann auch die Kommune nicht mehr vorbeikommen wird.

Für 2021 haben wir weitere Maßnahmen zum Ausbau des öffentlichen WLAN-Netzes in Hirschberg beantragt. Digitalisierung ist, auch das hat die Krise gezeigt, elementar. Wichtig war uns nach den Erfahrungen des Warntags im September noch ein verbessertes Katastrophenschutzkonzept, das nun mit der Feuerwehr und den Rettungsdiensten erarbeitet wird.

  

Weiterhin wurde auf unseren Antrag hin eine zusätzliche Stelle im Bauamt beschlossen, die angesichts der bevorstehenden Projekte zur schnellen Ausführung, aber auch zur Reduktion externer Kosten beitragen soll. Voraussetzung dafür ist, dass die Stelle mit Schwerpunkt Ingenieurwesen besetzt werden kann.

 

Die  wesentlichen vor uns liegenden Projekte sind uns allen bekannt: Unter anderem die Fertigstellung des evangelischen Kindergartens, die Hallensanierungen, der Anbau an die Sachsenhalle mit Spielfeld und die Sanierung des katholischen Kindergartens. Auf weitere Themen wie das Bürgerhaus oder die Ortsentlastungsstraße möchte ich heute nicht im Detail eingehen. Nicht weil sie nicht wichtig sind. Im Gegenteil: Es sind seit Langem ureigene SPD-Themen. Aber sie sind zu einem späteren Zeitpunkt auf der Tagesordnung.

Zwei Punkte für 2021 sind mir aber doch noch wichtig: Zum einen das geplante Neubaugebiet. Eine Zustimmung der SPD dazu wird es nur dann geben, wenn eine echte soziale Komponente enthalten ist. Wohnraum zu schaffen ist gut und richtig. Aber ein Neubaugebiet um des Neubaugebiets willen, mit einem Feigenblatt undefinierten „preiswerten“ Wohnraums, wird es mit uns nicht geben. Wohnen ist in den letzten Jahren zu einer sozialen Frage geworden, der wir uns auch in Hirschberg endlich stellen müssen.

Das zweite Thema ist die Zukunftswerkstatt Soziales. Sie geht auf einen Antrag der SPD und vor allem auf den von uns beantragten Sozialbericht zurück. Sie soll einen Rahmen bilden, um in den nächsten rund eineinhalb Jahren soziale Themen in Hirschberg gerade auch mit den Betroffenen zu bearbeiten und Lösungen für ein besseres Miteinander und Teilhabe in unserer Gemeinde zu entwickeln. Gut, dass es erste und ermutigende Anzeichen gibt, dass sie bald starten kann.  In  der Vergangenheit wurden soziale Themen – ob es nun um die Teilhabe sozial Schwacher an kulturellen Veranstaltungen über das Kulturparkett Rhein-Neckar oder die soziale Staffelung der KiGa-Gebühren ging – von Freien Wählern, CDU und FDP regelmäßig abgelehnt. Und das, obwohl es die Gemeinde, wie z.B. bei der Sozialstaffelung, nicht einmal etwas gekostet hätte.

Dabei ist soziale Politik heute wichtiger denn je! Auch das hat uns die Krise gezeigt. Denn von ihren Auswirkungen sind oftmals gerade die betroffen, die in den letzten Monaten den Laden am Laufen gehalten haben: Von der Kassiererin bis zur Krankenschwester, vom Fabrikarbeiter bis zum Paketdienstboten.

 

Die Herausforderungen für Hirschberg sind also zur Genüge bekannt. Es ist nun an uns, ihnen verantwortungsvoll, sozial und nachhaltig zu begegnen und wie eingangs erwähnt, die Chance in der Krise zu nutzen.

Im Namen der SPD-Fraktion bedanke ich mich insbesondere bei unserem Bürgermeister Herrn Gänshirt, unserer Kämmerin Frau Keil, allen Amtsleitern und der gesamten Verwaltung inklusive Bauhof und Forst für die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit unter schwierigen Umständen. Bei Frau Richter, Frau Keil und Herrn Pflästerer möchte ich mich für ihre Geduld bei der Beantwortung vieler Fragen bedanken.

Auch wenn wir, wie eingangs ausgeführt, mit einigen der Entscheidungen der Mehrheit des Gemeinderats im Rahmen der Haushaltsberatungen ausdrücklich nicht einverstanden sind, stimmt die Fraktion der SPD dem Gesamthaushalt und damit dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zur Haushaltssatzung mit Haushaltsplan 2021, der mittelfristigen Finanzplanung mit Investitionsprogramm 2020 - 2024  sowie dem Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Wasserversorgung 2021 zu.

 

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