Jahresabschlußrede 2022

Veröffentlicht am 02.01.2023 in Gemeinderatsfraktion

Fraktionsvorsitzender Dr. Thomas Scholz

Gemeinderat Hirschberg, Jahresabschlussrede 2022

Dr. Thomas Scholz, 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, sehr geehrte Vertreter der Presse und anwesende Gäste.

Es ist gute Tradition, dass am Ende der letzten Gemeinderatssitzung eines Jahres in wechselnder Reihenfolge Vertreter der Fraktionen die sogenannte Jahresabschlussrede halten. Spannend ist dabei, was er oder sie sich dabei zum Thema genommen hat. Da musste ich dieses Jahr zugegebenermaßen eine Weile überlegen.

 

Zunächst fiel mir ein: Als ich 2014 angefangen habe und mir das noch etwas fremd war, habe ich meine Fraktionskollegin Evi Pfefferle gefragt, was denn da üblicherweise so gesagt wird. Ihre Antwort: Nichts Wichtiges! Da wird nur berichtet: „Wir hatten so viele Gemeinderatssitzungen, so viele ATU-Sitzungen, so viele VA-Sitzungen, Anträge zu diesen und jenen Themen, und so weiter“. Das kam mir dann doch etwas langweilig vor – zumal ja fast alle Zuhörer der Rede bei den Sitzungen im Laufe des Jahres dabei gewesen waren und das alles bereits wissen müssten. Aber: Man ist damit zumindest ganz klar auf der sicheren Seite. Denn andere Themen zu wählen, das hat das Schicksal vom von mir hoch geschätzten Kollegen Karlheinz Treiber bei der Rede vom letzten Jahr gezeigt, kann offensichtlich mit gewissen Risiken behaftet sein. Dabei hat er es sicher nur gut gemeint und wollte, wie wir alle in unserer Funktion und in unserem Ehrenamt, die Welt mit seiner Rede ein wenig besser machen.

So habe ich dann weiter in meinen Erinnerungen gekramt. Bei meiner letzten Rede, 2017, war mein Thema das Horoskop der Gemeinde. Das will ich eher nicht wiederholen. Je nachdem, wie die Sterne stehen, könnte das ja deprimierend sein - auch wenn ich es nicht hoffe. Ein Jahr zuvor, also 2016 berichtete der Kollege Herdner vom Glückshormon Serotonin. Angelehnt daran könnte ich etwas zu Adrenalin sagen. Obwohl – das hätte dann doch eher zu 2021 gepasst und wäre da ganz sicher auch mit den genannten Risiken verbunden gewesen. Reimen ist immer gut, aber das kann ich nun mal nicht so wie der Kollege Würz. Also: Was nun zum Thema nehmen?

Meine Rettung war schließlich die Gesellschaft für deutsche Sprache und mein Namensvetter, der Bundeskanzler, der zufällig auch noch in der gleichen Partei ist, wie ich. Denn diese Gesellschaft wählte vor einigen Tagen den Begriff „Zeitenwende“ zum Wort des Jahres 2022. Und ich denke, dass tatsächlich kaum ein anderes Wort die aktuelle Zeit, das aktuelle Jahr so treffend beschreibt wie dieses, das Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am 27. Februar angesichts des Überfalls von Russland auf die Ukraine gebraucht und geprägt hat.

Was ist das nun aber konkret, eine Zeitenwende?

Der Duden sagt: „Das Ende einer Epoche oder Ära und der Beginn einer neuen Zeit.“ Das ist natürlich sehr hoch gegriffen. Vielleicht etwas zu hoch. Insbesondere wenn man nur an Hirschberg denkt, weshalb ich zunächst etwas ausholen werde, denn ich bin sicher, dass viele Menschen auch bei uns derzeit tatsächlich so fühlen. Warum?

Die Auswirkungen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine haben im vergangenen Jahr in mannigfaltiger Art und Weise das Leben jedes einzelnen Menschen beeinflusst – auch in unserer Gemeinde. Und sie tun es noch heute. Darüber hinaus haben sie schonungslos Defizite aufgezeigt, die man so vorher nicht gesehen hat – oder nicht sehen wollte: Sei es die fehlende Digitalisierung, die bewirkt hat, dass Gesundheitsämter in ihrer Verzweiflung ihre Daten letztendlich mit Faxgeräten weitergegeben haben und Schulen zunächst nicht die Software hatten, um digitalen Unterricht zu organisieren, oder seien es die internationalen Abhängigkeiten, nicht nur, aber gerade auch zu Russland, die uns nun bangen lassen, ob es in diesem Winter nicht sogar zu einem Blackout kommt und zeigen, dass wir bei der Nutzung regenerativer Energien vielleicht doch besser etwas weiter sein sollten als wir es nun einmal sind.

Dazu kommt, dass Vieles, das noch vor nicht allzu langer Zeit als gesichert galt und Sicherheit gegeben hat, heute nicht mehr gilt oder zumindest nicht mehr zu gelten scheint.

Wer hätte noch vor kurzer Zeit gedacht, dass wir in Deutschland wieder eine zweistellige Inflationsrate haben?

Wer hätte gedacht, dass sich die Zahlen an den Tafeln innerhalb weniger Monate verdoppeln?

Wer hätte noch vor einem Jahr – gerade nach der letzten Bundestagswahl - gedacht, dass sich insbesondere die Kohle- und Waffenindustrie inzwischen in Deutschland wieder höchster Zuwachsraten erfreut?

Wer hätte gedacht, dass es je wieder einen Krieg in Europa geben wird?

Solche Umbrüche, solche Zeiten der Unsicherheit und der Verwerfung wie wir sie gerade erleben, können eine Gesellschaft zusammenstehen lassen, aber auch spalten. Beides erfahren wir aktuell beziehungsweise in den letzten Monaten.

Auf der einen Seite Klimakleber, die die Gesellschaft mit ihren Aktionen erpressen wollen. Auf der anderen Seite Reichsbürger, die doch tatsächlich einen Putsch planen. Auf der einen Seite vielleicht übervorsichtige, hastige und übertriebene Coronamaßnahmen durch einen tief ins Private eingreifenden Staat. Auf der anderen Seite Coronaleugner und Querdenker. Auf der einen Seite Menschen, die aufgrund der gestiegenen Miet-, Energie-, und Lebensmittelpreise nicht mehr wissen, wie sie im nächsten Monat mit ihrem Geld auskommen, auf der anderen solche, deren anscheinend größtes Problem darin besteht, wie man wohl unsere Sprache am besten gendert.

Die Aufgabe der Politik ist es, mit Vernunft, Kompetenz und ruhiger Hand hier wieder genau die Mitte zu finden und zu stärken, die eine funktionierende Gesellschaft zwingend braucht. Das heißt vor allem Brücken bauen, auf die Menschen zugehen, ihre Sorgen und Probleme ernst nehmen und dabei trotzdem die wichtigen Zukunftsthemen beherzt anpacken – nicht nur in Berlin oder Stuttgart, sondern natürlich auch in jeder einzelnen Stadt, in jeder einzelnen Gemeinde und auch bei uns, denn all diese Themen, die genannten Defizite, Gegensätze, Umbrüche und Probleme spiegeln sich natürlich auch im Hirschberg des Jahres 2022 wider. Manche etwas mehr, manche etwas weniger. Zwar hat sich in Hirschberg niemand auf die Landstraße geklebt und es wurde auch niemand mit einer Reichsfahne gesehen, doch die Auswirkungen von Pandemie und Krieg sind selbstverständlich im vergangenen Jahr auch bei uns nicht vorübergegangen: Unter anderem in Form von geflüchteten Menschen aus der Ukraine, hauptsächlich Frauen und Kindern.

Das klingt nun alles sehr negativ und vieles ist tatsächlich bedenklich. Aber trotz alledem fallen mir beim Begriff Zeitenwende im Zusammenhang mit Hirschberg in 2022 zunächst vor allem positive Beispiele ein, die ich an dieser Stelle nennen will. Und es ist wohl kein Zufall, dass das meiste davon sehr gut auf das Motto unserer aktuellen Zukunftswerkstatt passt: „Wir in Hirschberg!“

Wer hätte vor nicht allzu langer Zeit geglaubt, dass SGL und TVG eine Mannschaft bilden und zusammenspielen? So geschehen in diesem Jahr - zumindest für ein Benefizspiel gegen die ukrainische Nationalmannschaft. Wie überhaupt die Hilfe für die Ukraine – auch was die private Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten betrifft - wohl ebenfalls ein Stück hoffentlich beispielgebende Zeitenwende bei uns war. Weiter: Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass katholische und evangelische Kirchengemeinde in Leutershausen gemeinsam ein Gemeindehaus nutzen werden? Und wer hätte früher gedacht, dass die unechte Teilortswahl dieser Tage einstimmig abgeschafft wird? Schritt für Schritt werden im Laufe der Zeit Mauern abgebaut und das Gemeinsame tritt in den Vordergrund.

So war denn tatsächlich gerade diese Abschaffung der unechten Teilortswahl - zumindest für mich – in gewisser Weise das Highlight des vergangenen Jahres hier im Gemeinderat. Nicht, dass es keine anderen wichtigen Themen gab. Es wurde etliches angefangen oder abgearbeitet beziehungsweise auf den Weg gebracht: Von der Sanierung der Hallen und des Sportzentrumsgebäudes über den neuen Kindergarten, den Entwurf für den Anbau an die Sachsenhalle oder die Kanalisation der Hauptstraße um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das meiste davon wird uns auch im kommenden Jahr beschäftigen. Dazu weitere Themen wie das Neubaugebiet, der Anbau an die Grundschule Großsachsen oder die lange von uns gewünschte Sanierung der Alten Villa.

Erfreulich ist aus meiner Sicht der Verlauf der Zukunftswerkstatt. Sie zeigt das enorme Engagement unserer Bürger. Eine ganze Reihe von Themen aus den verschiedenen Gruppen sind bereits in Eigenarbeit in Realisierung oder wert, von der Verwaltung und dem Gemeinderat im nächsten Jahr aufgegriffen zu werden. Darüber hinaus werden und müssen uns selbstverständlich die Zukunftsthemen Digitalisierung und Klimaschutz beschäftigen, wofür in diesem Jahr sogar zusätzliche Stellen geschaffen wurden.

Das ist ein großes Pensum. Und nicht zu Unrecht haben sich Vertreter von Gemeinden, Städten und Kreisen vor Kurzem in einem Brandbrief an die politisch im Land und Bund Verantwortlichen gewandt mit dem Vorwurf, dass manches einfach nicht mehr zu leisten ist – schlicht weil zum Beispiel die Ressourcen, unter anderem die Menschen fehlen, um alles abarbeiten zu können.

Realistischerweise ist nun aber leider nicht wirklich damit zu rechnen, dass sich aufgrund dieses Briefes kurzfristig alles zum Besseren wenden wird.

Die Welt ist im Wandel und die großen Herausforderungen werden bleiben.

Wahrscheinlich – das lehrt uns schon Murphys Gesetz, kommen sogar eher weitere hinzu. Es liegt an uns, das Beste daraus machen.

Ganz wichtig ist dabei, dass wir bei all diesen großen und wichtigen Themen nicht die Menschen selbst aus den Augen verlieren, und hier gerade die, denen es nicht so gut geht. Dies zählt– und das wird hier niemanden verwundern – zu meinen Hauptanliegen für unsere Arbeit im kommenden Jahr. Ich hoffe, dass wir dabei die Einigkeit im Rat finden, auf die wir uns im vergangenen Jahr wieder zubewegt haben.

Wir schließen mit dieser Sitzung als Gemeinderat das Jahr 2022 ab. Es war in Summe ein arbeitsreiches und trotz allem auch erfolgreiches Jahr. Ein Jahr mit vielen Herausforderungen in einer sich wandelnden Zeit, in einer Zeitenwende. Für die Zukunft bleibt in schwierigen Zeiten viel zu tun.

So möchte ich als Letztes, aber sicher nicht zuletzt, diese Jahresabschlussrede nun noch nutzen, um mich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats bei der Verwaltung und bei Ihnen, Herr Bürgermeister für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und bei der Presse für die sicher nicht immer ganz einfache Berichterstattung zu den Sitzungen zu bedanken. Ich wünsche uns und allen Bürgern von Hirschberg eine frohe, glückliche und erholsame Weihnachtszeit und ein erfolgreiches Jahr 2023 in Gesundheit und Frieden.

 

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