Erweiterung des Hirschberger Gewerbegebiets: Ein ausführlicher Faktencheck

Veröffentlicht am 12.12.2020 in Ortsverein

Am 14. März 2021, dem Tag der Landtagswahl, werden die Hirschberger Bürger darüber abstimmen, ob eine großflächige Erweiterung ihres Gewerbegebiets und damit einhergehend eine großflächige Bodenversiegelung umgesetzt wird oder nicht. In der Zwischenzeit konnte man von verschiedenen Seiten Argumente dafür und dagegen lesen. SPD und GLH stehen der geplanten Ausweitung um insgesamt 10 ha sehr kritisch gegenüber und unterziehen die Argumente der Befürworter der Maßnahme daher an dieser Stelle einem ausführlichen Faktencheck:

Behauptet wurde von Seiten der Unterstützer der Erweiterung des Gewerbegebietes zu Beginn des Bürgerbegehrens, dass Hirschberg nun eine „Räterepublik“ drohen würde. Weiterhin wurde damit Stimmung gemacht, dass die Gegner der Erweiterung ja von „Außerhalb“ kämen.

Fakt ist: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sind eine berechtigte, demokratische und legitime Beteiligung der Bürger an wichtigen Entscheidungen in der Gemeinde. Sie sind in der Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg explizit vorgesehen. Tatsächlich ist ein Teil der für den Bürgerentscheid benannten Vertrauenspersonen nicht aus Hirschberg. Aber mehr als 800 Hirschberger(!) Bürgerinnen und Bürger haben durch ihre Unterschrift das Bürgerbegehren unterstützt, so dass der Bürgerentscheid nun durchgeführt wird.

Behauptet wurde, es handele sich bei dem betreffenden Gebiet um schlechten Boden. Der Verlust dieses Bodens und seine Versiegelung wären also, so die Befürworter der Erweiterung, nicht so schlimm.

Fakt ist: Im Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbands ist genau an dieser Stelle eindeutig von hochwertigen Böden die Rede. Ihr Verlust wird darin als Konflikt mit einer möglichen Bebauung beschrieben. Zudem liegt das betreffende Gelände in einem Wasserschutzgebiet. Der Flächennutzungsplan spricht hier von einer potentiellen Gefahr bei Eingriffen in Grundwasser führende Schichten und einem hohen Gefährdungspotential des Grundwassers gegenüber Verunreinigungen. Weiterhin handelt es sich, gemäß Flächennutzungsplan, um ein Kaltluftsammelgebiet. Auf diese wichtigen Funktionen des Geländes - über die landwirtschaftliche Nutzung hinaus - sind die Unterstützer der Erweiterung nie eingegangen.

Behauptet wurde von den Befürwortern mit Bezug auf die Verkehrsproblematik, eine mögliche Anbindung an die Heddesheimer Straße als Folge der großflächigen Erweiterung wäre „Fake News“. Darüber hinaus wurde die sogenannte „Nordspange“ als Lösung aller Verkehrsprobleme angeführt.

Fakt ist: Die aktuell einzige Zufahrt des bestehenden Gewerbegebiets, der obere Kreisel, ist vor allem aufgrund des stetig steigenden Schwerlastaufkommens in sehr schlechtem Zustand und bereits jetzt ein Nadelöhr, bei dem sich zu den Hauptverkehrszeiten Staus bilden. Die derzeitige massive Erweiterung des Autohofs im bestehenden Gewerbegebiet wird zu einer weiteren Steigerung des Schwerlastverkehrs beitragen. Da eine der Zufahrten des Kreisels direkt von der Autobahn aus erfolgt, liegt darüber hinaus eine besonders kritische Situation bei hohem Verkehrsaufkommen vor. Ein ständiger Rückstau auf die Autobahn muss von den zuständigen Behörden vermieden werden. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass es hinsichtlich der Verkehrsführung strenge Auflagen für eine mögliche Erweiterung des Gewerbegebiets gibt. Hirschberg kann in dieser Frage nicht allein entscheiden. Dies schlägt sich bereits jetzt in den entsprechenden Gutachten und Stellungnahmen nieder: In der „Regionalen Gewerbeflächenstudie Metropolregion Rhein Neckar“ sieht man südlich des bestehenden Gewerbegebietes zwar Potential für die Nutzung als Gewerbebereich, spricht aber folgerichtig  im Hinblick auf die aktuelle Verkehrsanbindung von einem „Flaschenhals“ und schlägt daher vor, „eine zweite Anbindung in südlicher Richtung an die Heddesheimer Straße zu realisieren“. Das hätte natürlich massive Konsequenzen – nicht nur, aber besonders für die Anwohner und Nutzer der Heddesheimer Straße und der B3 in Leutershausen.

Ein Bypass am bestehenden Kreisel wurde bereits vor rund 20 Jahren als Alternative in Gutachten zur Erschließung des bestehenden Gewerbegebietes angesprochen und bei einer möglichen (Nord-)Erweiterung zur Voraussetzung gemacht. Die deutliche Zunahme an (Schwerlast-)Verkehr in der Zwischenzeit, insbesondere durch die massive Ansiedlung von Logistikunternehmen im Westen des Gewerbegebietes, ist in diesem Gutachten aber noch gar nicht berücksichtigt. Die hauptsächlich von der FDP angesprochene „Nordspange“ ist derzeit reines Wunschdenken.

Behauptet wurde, dass das bestehende Gewerbegebiet Vorzeigecharakter hätte und dadurch 3000 Arbeitsplätze geschaffen worden wären. 

Fakt ist: Bei einer Begehung des Gewerbegebietes mit der Presse konnten bei rund 80% der Firmen offensichtliche Verstöße gegen die ökologischen Auflagen des Bebauungsplans ausgemacht werden. Ein „Vorzeigeprojekt“ sieht in diesem Punkt sicher anders aus.

Wie viele Arbeitsplätze durch das bestehende Gewerbegebiet tatsächlich neu geschaffen wurden, ist nicht erwiesen. Es liegen keine konkreten Zahlen vor, welche Arbeitsplätze wo und in welcher Anzahl entstanden sind und wie viele davon eigentlich nur verlagert wurden. Wer hier eine konkrete Zahl nennt, gibt eine reine Spekulation wieder.

Behauptet wurde insbesondere auch, dass durch eine Erweiterung des Gewerbegebiets beträchtliche zusätzliche Steuereinnahmen generiert würden. Mit diesen Einnahmen, so die Befürworter der Erweiterung, sollen dann Vorhaben wie die Hallensanierungen, die dritte Halle, das Bürgerhaus oder zum Beispiel die Vereinszuschüsse (mit-)finanziert werden

Fakt ist: Die Einnahmen der Gemeinde aus einer möglichen Erweiterung, konkret Grund-, Umsatz- und Gewerbesteuer, werden weitestgehend überschätzt. Eine Erhöhung dieser Einnahmen wird in Hirschberg zu einem Großteil kompensiert durch eine damit einhergehende Verringerung der Schlüsselzuweisungen, die die Gemeinde vom Land erhält. Darüber hinaus sind diese Steuereinnahmen nicht gesichert. So haben sinkende Gewerbesteuereinnahmen gerade in den letzten beiden Jahren zu Haushaltssperren und Nachtragshaushalten im Hirschberg geführt – und das bereits vor Corona.

Bis eine Erweiterung des Gewerbegebietes Einnahmen generiert, vergehen außerdem viele Jahre, in denen die Planung durchgeführt und die Infrastruktur geschaffen werden muss. Danach muss sich erst einmal Gewerbe ansiedeln. In der aktuellen Krisensituation ist die Nachfrage unsicher. Eine reine Verlagerung vom bestehenden Gewerbegebiet in die geplante Erweiterung - wie von einer größeren ansässigen Firma derzeit angekündigt - generiert beispielsweise nicht zusätzliche Einnahmen. In den ersten Jahren werden die Betriebe zudem ihre Investitionen in Infrastruktur und neue Gebäude steuermindernd abschreiben. Den (überschaubaren) Erträgen stehen aber Aufwände für die Gemeinde gegenüber, z.B. für den Unterhalt der Infrastruktur. Straßen, Kanalisation, Beleuchtung, Anbindung ans Fibernet, Begrünung und Verkehrssicherheit generieren laufende Kosten.

Wer unter diesen Voraussetzungen in absehbarer Zukunft einen Geldsegen erwartet, der die aktuell in Hirschberg diskutierten Vorhaben auch nur ansatzweise finanziert, verkennt die Lage und die Fakten. Die allseits bekannten anstehenden Vorhaben wären eher finanzierbar, wenn die Gemeinderatsmehrheit nicht derzeit und in den letzten Jahren das Geld mit vollen Händen und ohne erkennbaren Sparwillen für andere, teils überteuerte Projekte ausgegeben hätte beziehungsweise ausgeben würde.

Fazit: Von den Argumenten der Befürworter bleibt bei genauer Betrachtung der Faktenlage nicht viel übrig. Gegen die Erweiterung spricht jedoch eine ganze Menge: Neben den bereits beschriebenen laufenden Kosten ist dies vor allem  die massive Bodenversiegelung, die nicht mehr in die heutige Zeit passt und kritisch hinterfragt werden muss. Faktoren wie Umweltschutz, Tierschutz, Klimaschutz und Wasserschutz kommen hinzu. Besonders kritisch ist darüber hinaus das große Thema Verkehr. Die aktuelle Anbindung über den Kreisel wird voraussichtlich den zusätzlichen Verkehr nicht verkraften. Aktuelle Studien bringen ganz konkret die Anbindung über die Heddesheimer Straße ins Spiel.

All diese Themen werden wir, die Hirschberger SPD und GLH,  in den kommenden Monaten bis zum Bürgerentscheid ausführlich weiter beleuchten und die Hirschberger Bürger ausführlich darüber informieren. Mit Sorgen sehen wir die weiter um sich greifende Flächenversiegelung und die Folgen für Mensch und Natur.  

Aufgrund der genannten Faktenlage können SPD und GLH die geplante großflächige Erweiterung des Gewerbegebiets nicht mittragen und unterstützen daher das Anliegen des Bürgerentscheids zur Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses. Sie setzen sich für eine deutlich maßvollere und nachhaltigere Planung für Gewerbeentwicklung ein, die Flächenversiegelung in diesem Ausmaß eben nicht als einzige Option sieht und insbesondere auch Alternativen einbezieht und abwägt. Dafür werben wir. Die drei Jahre, die bei einem positiven Ergebnis des Bürgerentscheids gewonnen werden, könnten genau dafür sehr sinnvoll eingesetzt werden.

 

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